Euphelia ist noch immer satt. Man könnte auch sagen, sie hat ein gutes Bauchgefühl. Gestern waren die Mitarbeiter hier, trafen sich also ganz zufällig, als sie ihre Lohnunterlagen abholten und Formulare unterschrieben. Sie hatten als Überraschung gebacken – süß und pikant, Brötchen geschmiert und Soljanka gekocht. Die Reste blieben hier im Hause, damit die Chefs am Wochenende versorgt sind. Vor allem hatten sie alle viel zu erzählen. Endlich ein Wiedersehen, ein paar Minuten – auf Abstand – miteinander Erlebnisse austauschen, Erinnerungen teilen. So viele Sätze begannen mit: Jetzt würde…, Heute hätte…., Nikolaus würden wir …. Natürlich flossen Tränen, natürlich wurde viel gelacht, laut durcheinander erzählt, natürlich sind alle bereit und scharren mit der Hufe, wenn es endlich wieder nach Verwöhnaroma duften darf hier im Gutshotel. Doch ganz ehrlich: Keiner der lieben guten Geister erlebte in den letzten Jahren ein ganzes Weihnachtsfest inmitten der Familie, und darauf dürfen sie sich einfach auch mal freuen in diesem Jahr. Alle lachten laut, als plötzlich die Frage aufkam, wie macht man das eigentlich? Sie werden es können und genießen, Conny gönnt es ihnen so sehr. Und im nächsten Jahr werden sie ebenso gern wieder hier die große Familie begeistern. Es ist eine wundervolle Truppe und Conny ist so doll stolz darauf. Irgendwann stand die Frage im Raum, wie es eigentlich weiterging nach 2000. Lächelnd wurde gefragt, ob es spannende Jahre waren.
Und so hat Conny dann am Abend Eupehlia wieder mitgenommen in diesen wunderbaren Raum, der keine Gänge hat, und in den Cds, in den Videos, Fotos und alten Gästebüchern gekramt.
Dieses Bild fand sie im Gästebuch. Ja, es ist wahrhaft schon lange her.
Umsomehr Conny in diesen Jahren schweifte, desto mehr erkannte sie: Ja, es waren echt zwei spannende folgende Jahre. Nachdem zum Ende 1999 das Standesamt Güstrow hier seine Außenstelle bestätigt hatte, wurden mehr und mehr Hochzeiten im Gutshotel ausgerichtet. Was für eine Aufregung und was für ein Aufwand für jede einzelne Feier. Maßgeschneidert und voller Liebe, das war der Anspruch von Conny und ihrem Team. Damit kamen sie manchmal an ihre Grenzen. Jede Hochzeit ging durch den Bauch, als wären es ihre eigenen Kinder. So blieb es in allen Jahren. Die vielen Bäume und Pflanzen auf dem Hof, gepflanzt von den Brautleuten, sind Zeugnis davon.
Das Gutshotel nahm teil an den Veranstaltungen auf dem Markt bei „Güstrow kocht auf“. Im ersten Jahr mit La-nu-te. Ständig hörte man über den ganzen Markt den Ruf erschallen (wir können wirklich laut!!!) „Alles Gute mit Lanute!!!!“ Es war unser Lachs-Nudel-Teller! Und in 2000 waren wir dann schon so glücklich mit diesen Erlebnissen auf dem Markt, daß unsere Mitarbeiter glatt selbst in unser eigenes Gästebuch schrieben!
Unheimlich spannend waren die Dreharbeiten für eine TV-Sendung bei „Ars Vivendi“. Irgendwie merkten sie zu diesem Zeitpunkt wohl selbst, daß sie ein interessantes Haus sein könnten. In 2000 wechselte zum ersten Mal der Küchenchef. Conny fühlte sich wie eine Marionette. Alles hing davon ab, ob diese Lücke schnell genug geschlossen werden konnte. Jetzt, so merkt Euphelia, kann sie wohl schon lächeln darüber. Doch damals dachte Conny, es ist das Ende von allem. Über eine Anzeige in einer deutschlandweiten Fachzeitschrift kam ein Koch. Ja, er kam. Und das Suchen nach einem Koch ging sofort weiter. Er blieb eine Weile, und es war wirklich jeden einzelnen Tag sehr spannend. Keiner wußte, woher er kam. Keiner erfuhr, wohin er ging. Doch dies wäre eine andere Geschichte. Später vielleicht. Euphelia wird Conny daran erinnern.
In 2000 beendete Conny auch ihre letzte Reisebürolaufbahn. Tolle Mitarbeiter hatten ihre Läden übernommen und führen diese zum Teil bis heute. Wenn sie daran denkt, dann erfüllt sie eine tiefe Dankbarkeit an diese Zeit und an ihre tollen Leute um sie herum. Doch diese zehn Jahre Reisen wären eine andere Geschichte. Später vielleicht. Euphelia wird Conny daran erinnern.
Heute nimmt Conny endlich mal wieder den Walter Moers zur Hand. Es ist ein passender Tag, um auf Reisen zu gehen. Ein Sessel, einen Glühgin, eine Decke um die Füße, ein Kissen im Nacken – Vorsicht an der Bahnsteigkante – Der Zug rollt ab direkt nach Zamonien. Aussteigen oder umsteigen nicht möglich. Schnallen Sie sich an, es geht rasend schnell!
In 2000 erschien von Walter Moers „Ensel und Krete“. Diese Märchenparodie spielt erneut auf dem Kontinent Zamonien. Solche Reisen sind derzeit gefahrlos möglich. Also macht Euch auf den Weg. Ohne Abstand könnt Ihr sorgenfrei die liebenswürdigen und anständigen Halbzwerge besuchen. Erstmals begegnet man in diesem Buch auch dem zamonischen Dichterfürsten Hildegunst von Mythenmetz.
Conny versucht in ihren Schriften von Mythenmetz zu lernen. Seine Stilmittel sind sehr ausgefallen und erfordern viel Übung. Zusammengefaßt beschreibt er selbst sie so:
„Darf ich an dieser Stelle einmal auf meine schriftstellerische Raffinesse hinweisen? Natürlich darf ich das, innerhalb einer Mythenmetzschen Abschweifung darf ich alles.“ Für Conny sind Abschweifung, Witz und Ideenreichtum derzeit so wichtig, also ein wahrhaft passendes Buch für diese Adventszeit.
Nur eine Ergänzung muß noch erfolgen:
Es reicht bei weitem ein einziger Glühgin nicht!!!
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