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AutorenbildEuphelia

Liebes Buddelbuch,

das hat jetzt aber gedauert. Lange Vetragsverhandlungen liegen hinter mir, eurer Hausschreibfeder Euphelia. Heute darf ich offiziell verkünden:

Ich habe gekündigt. Also, zumindest habe ich mit Kündigung gedroht. Ernsthaft gedroht.

Seit Juli trocknet mein Fuß vor sich hin. Keiner kümmerte sich um mein Stiefelchen. Ich habe Durst und bin eingerostet. Ganz ehrlich, so kann ich nicht arbeiten. Dabei klappert die Tastatur jeden Tag. Ich höre sie klar und deutlich, stehe ich doch „Zwischen den Zeilen“ fast neben ihr. Doch keiner kam mir zur Hilfe. Ich will gar nicht jammern. Ich weiß, hier ruht keine Hand auch nur eine Minute einfach mal so. Dennoch, prickelnd ist das nicht. Ein erfüllter Job sieht anders aus. Und so grübelte ich wochenlang vor mich hin. Der Gedanke der Kündigung wurde groß und größer, bis in letzter Minute mein bester Freund mir die richtige Idee gab. Und das kam so:

Ich schwirrte am ersten Herbsttag bei herrlichem Wetter über Eulenhausen. Es ist ein wundervolles Gelände. So viel gäbe es darüber zu berichten, denn tolle Dinge werden dort von herzensguten Menschen unternommen. Anschließend bummelte ich durch den Gutspark. Was für ein schöner Ort, heimelig, gemütlich. Lesende Gäste verweilten völlig entspannt unter strahlendem blauen Himmel auf der Wiese. Ich würde so gern meine Eindrücke in bunten Farben und mit zauberhaften Sätzen schildern. Diese Erkenntnis fuhr mir förmlich in die Federspitze: Ich will regelmäßig schreiben. Schon schwirrte ich zurück nach Eulenhausen, besuchte jetzt das Innere des Wagons. Die Pläne zum Ausbau sind gereift, langsam spruchreif, erzählbar. Das war der sogenannte letzte Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Ich könnte wahrhaft über alle diese verschiedenen Bereiche der Insel Literaturien spannende Begebenheiten erzählen, interessante Details, wachsende Pläne, Träume, Visionen. Jedoch ist das für eine kleine Hausschreibfeder ein zu großer Job. So stand ich mitten im Wagon und grübelte erneut. Mitten in diese Gedanken hinein, wurde ich leise angewispert. Woher kam das? Ich lauschte ganz angestrengt. Es kam aus dem ehemaligen Toilettenraum des Wagons. Gaaanz vorsichtig lugte ich zum Ende des Ganges. In diesem Raum war die Toilette schon vor einiger Zeit ausgebaut worden, der Raum war gereinigt – und ...ich erstarrte bei meinem Blick um die Ecke. Das kann ja gar nicht wahr sein – die ersten Bücherregale waren bereits gefüllt. Das hatte ich voll verpaßt. Auch darüber hätte ich doch schreiben wollen. Die erste kleine Bibliothek im Wagon war also entstanden. Und wer stand da ganz in der ersten Reihe und machte mit großen Gebärden auf sich aufmerksam? Mein bester Freund aus alten Zeiten: Faust, Erster Teil. Ich stieß mich hektisch an der Klappe des Regals, warf mit meinem Lufthauch andere Bücher um, konnte gar nicht schnell genug sein vor lauter Freude über das Wiedersehen. Ganz sachte schloß mich Faust in seine Seiten, und ich lehnte mich in die Falten voller Wärme. Wir hatten uns Jahre nicht gesehen. Fausts Blätter raschelten an meinem Federkleid. Mit leiser, liebevoller Stimme sagte Faust zu mir: „Verweile doch, du bist so schön.“

Ja, aber wie? Ich bin doch die Hausschreibfeder! Ich habe einen Job im Hotel und im Park und ….

Pssst, gemach, gemach, nahm mich Faust in seine Mittelseite, verweile hier. Bleib bei mir! Bewirb dich um den Job als VereinsSchreibfeder. Eine Eulenfeder gehört nach Eulenhausen – und meine Euphelia gehört zu mir. Im Hotel können sie doch mit der Tastatur klappern.

Dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los. Ich mußte es tun. Ich kündigte gestern nach meinem Ausflug und bewarb mich gleichzeitig um den Job als VereinsSchreibfeder in Eulenhausen.

Es machte mich schon ein wenig froh, daß sie den ganzen Abend darüber nachdachten, daß meine Arbeitsplatzänderung abgewogen wurde, Lösungen und Vertretungen gesucht wurden. Immerhin begleite ich das Haus durchgehend seit 2018. Mein Antrag wurde bewilligt. Nun bereite ich mich auf den Umzug vor und hoffe so sehr, daß auch die Vereinsmitglieder mich in ihre Runde aufnehmen werden. Im Wagon will ich mich in den nächsten Tagen einrichten. In neuer Funktion schicke ich euch jedoch heute erstmals Eindrücke aus der "Fünften Jahreszeit" (Tucholsky) meines neuen Umfeldes. Nach dem Lesen dieses wundervollen Textes von Kurt Tucholsky erspüre ich alljährlich die Natur in diesen Tagen mit allen Sinnen und viel intensiver. Zum Abschluß reiche ich euch noch einen Keks. Das wird mir fehlen. Doch heute verteile ich diese wieder voller Freude. Es sind natürlich Hanfkekse, sie sind köstlich. Wie habt ihr diesen ersten Herbsttag erlebt? Ich lehne mich zurück, knabbere und lausche euren Erzählungen.


1 Kommentar

1 Comment


Scheebo
Scheebo
Sep 24

Na, liebe Euphelia, das hat aber ganz schön an den Nerven gezerrt…. Sorgenvoll war ich auf der Suche nach deinen Spuren. Schreibblockade, Burnout, Lustlosigkeit, Materialengpass? Nö…. und dann gleich ein Wechsel. Schön. dass du wieder da bist und dann umsorgt von deinem Freund Faust. Bleib uns Vereinsmitgliedern gewogen


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